Über 30.000 Kindern auf die Welt geholfen

Respektvoller Umgang mit den Patienten 30 Jahre konsequent umgesetzt

Henstedt-Ulzburg – Dr. Reinhart Müller sitzt vor mir mit seinem typischen, warmen Lächeln, gleichzeitig erwartungsvoll, was jetzt wohl kommen mag. Der Chefarzt der Gynäkologischen Abteilung der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg/Kaltenkirchen hat Öffentlichkeitsarbeit bislang eher gemieden. Doch jetzt gibt es einen aktuellen Anlass: Dr. Reinhart Müller verlässt zum Jahresende nach 30 Jahren die Klinik in Henstedt-Rhen.

Achtung und Respekt für die Patienten

Seine Karriere in Henstedt-Ulzburg begann eigentlich im Amtsgericht am 18. Oktober 1977. Dr. Krukemeyer ersteigerte die damalige Nordland-Klinik und verpflichtete den erst 33jährigen Dr. Reinhart Müller umgehend als Chefarzt der Gynäkologischen Abteilung. Waren es anfangs 280
Geburten, so steigerten Dr. Müller und sein hochmotiviertes Team die Anzahl bereits nach vier bis fünf Jahren auf 1.000 Geburten pro Jahr. Einzigartig in Deutschland ist der Einsatz des sogenannten Geburtsspartels. Von einem seiner Freunde, der als Gynäkologe in Südamerika tätig ist, entwickelt, übernahm Dr. Müller dieses Hilfsmittel begeistert für seinen Aufgabenbereich. Dr. Müller ist in all den Jahren immer offen für Neuerungen geblieben, wollte den starren Klinikalltag vermeiden.

Sein großer Wunsch war es, im Betrieb der Paracelsus Klinik „Schweizer Niveau“ zu leben. Das bedeutet, dass die persönliche Betreuung des Patienten immer im Vordergrund steht. „Es kann nicht sein, dass mir per Vorschrift im Klinikalltag ganze fünf Minuten Zeit eingeräumt werden, damit ich einer Frau mitteilen kann, dass sie Brustkrebs hat“, empört sich Dr. Müller. Die Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen machen den täglichen Ablauf eines Krankenhauses unmenschlich.

Für Dr. Reinhart Müller ist und war der respektvolle Umgang mit dem Patienten immer wichtig. „Die Menschen kommen mit großer Angst in die Klinik, sind durch ihre Krankheit aus der Bahn geworfen. Hier sind dann Arzt und Pflegepersonal gefragt, sie erst einmal aufzufangen. Nur wenn die Angst weicht und Vertrauen zurückkehrt, ist Heilung möglich.“ Wie sehr Dr. Müller bereit war, auch ungewöhnliche Wege zu gehen, stellte er immer wieder unter Beweis. Ende der 70er Jahre praktizierte er in dieser Region als erster das „rooming in“. Die Neugeborenen durften plötzlich bei ihren Müttern im Zimmer bleiben. Was bis dahin unmöglich war, wurde von den Frauen mit offenen Armen begrüßt. Nicht zuletzt durch die Zunahme der Migranten und die „freien 70er Jahre“ kamen ganz neue Gebärmethoden auf den Chefarzt zu. Die Frauen wollten ihre Kinder auf dem Fußboden oder in der Badewanne bekommen. Dr. Reinhart Müller ließ sich nur zu gerne darauf ein. Es wurden eigens für die Paracelsus Klinik Entbindungsmatten mit Schaumstoffkernen entwickelt, die es den Frauen bequemer und leichter machten.

Als „Symbiose aus fachlicher Qualität und stimmiger menschlicher Begegnung“ bezeichnet Dr. Müller seinen langjährigen Kollegen Dr. Tobias Zeiser. Die Jahre der Zusammenarbeit empfindet er als seine beste Zeit an der Klinik. Dr. Zeiser ist schon seit Jahren ein von ihm gewünschter und avisierter Nachfolger für den Posten des Chefarztes der Gynäkologie. Vor acht Jahren fing Dr. Müller an, Behandlungen auf Wunsch der Patienten in besonders schwierigen und austherapierten Fällen von der Heilerin Imke Turau begleiten zu lassen. Bei schweren Traumatisierungen arbeitete er mit der Quickbornerin Hand in Hand. Er ließ sich darauf ein, für sein Ziel Heilmethoden anzuwenden, die auch die momentane schulmedizinische Wissenschaft komplett außen vor lässt. Auch dieses Angebot folgt dem Vorbild „Schweizer Kliniken“.

Keine „Halbgötter in Weiss“

Dr. Müller hat es vor Jahren selbst erfahren, was es heißt, Schmerzpatient zu sein. Danach stand für ihn fest: „Gerade ein kranker Mensch braucht ganz besondere Betreuung. Ihm hilft es in solch einer Situation wenig, wenn ein Halbgott in Weiß am Bett steht.“ Die Paracelsus Klinik konnte seines Erachtens immer mit dem Pfunde wuchern, dass sie zu den kleineren Häusern gehört. Dem Patienten Geborgenheit zu vermitteln, Krebskranke aufzufangen, Verständnis zu zeigen: mit diesem Grundgedanken prägte Dr. Reinhart Müller sein Team. „Das war immer mein größtes Anliegen und ich wünsche mir sehr, dass dieser Geist auch nach meinem Ausscheiden erhalten bleiben möge!“ Er hat seiner Aufgabe als Chefarzt der Gynäkologie stets Gutes abgewinnen können. „Die Geburt eines Menschen ist etwas ganz Besonderes, etwas sehr, sehr Schönes. Rund 30.000 Babys habe ich bisher auf die Welt geholfen.“ Die Zufriedenheit auf seinem Gesicht unterstreicht die Aussage trefflich. Inzwischen hat er über die Jahre seiner Tätigkeit vier Generationen aus einer Familie begleiten können.

Perle an seiner Seite

Einer Frau an seiner Seite im Klinikalltag dankt er ganz besonders. Ute Barth, anfänglich als Sekretärin eingestellt, entwickelte sich im Laufe der Jahre durch ihre Erfahrung, persönlichen Einsatz und warmherzige Art zu einer wichtigen Schnittstelle zwischen Patient und Klinik. Sie „fertigte nie einen Kranken einfach nur ab“. In all den Jahren wurde sie für Dr. Müller unverzichtbar. Was nehmen Sie mit aus 30 Jahren Klinkarbeit? Die Antwort auf diese Frage kommt klar und direkt: „Jede Geburt war für mich ein persönliches Erfolgserlebnis. Wir haben Menschen, die durch eine Krankheit den Boden unter den Füßen verloren hatten, operiert und Wege aufgezeigt, die über die normale Schulmedizin weit hinaus gehen. Mit plastischer Chirurgie haben wir Patienten zu neuer Lebensqualität verhelfen können. Ich habe nie nur einfach meinen Job gemacht – wobei das ganze Team stets hinter mir gestanden hat. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.“

Nachtarbeit und Wochenenddienst

Dr. Reinhart Müller ist jetzt 62 Jahre alt und steckt voller Vitalität. Klinikdienst, Nacht- und Wochenendschichten seien zwar nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, wie er selbst sagt. Denn das war für ihn der Hauptgrund, den Dienst an der Paracelsus-Klinik zum 31. Dezember 2007 zu beenden. „Meinem Nachfolger wünsche ich Spaß und Freude an seinem Beruf und ganz viel Energie.“ Das Strahlen in den Augen bestätigt seine Aussage, mit der er das Interview beendet: „Ich freue mich schon jetzt auf alle neuen Aufgaben, die auf mich warten.“

Brigitte Renk
Erschienen in: UMSCHAU 30.8.2007